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Hunde und Kinder



Viele Kinder wünschen sich sehnlich einen Hund in der Familie. Er kann Spielpartner oder auch manchmal Seelentröster sein. Besteht zwischen der Familie und dem Hund eine harmonische Beziehung, so bringt ein Hund tatsächlich für alle Beteiligten viel Freude ins Haus. Dies entsteht jedoch nicht von allein. Um einen friedlichen Alltag mit Kind und Hund zu erleben, muss einiges im Vorfeld und bei der Erziehung des Hundes (aber auch der Kinder) beachtet werden.


Manchmal läuft es aber auch umgekehrt: ein junges Paar plant Kinder, möchten aber zuvor schon einen Hund. Der lebt dann unter Umständen schon mehrere Jahre im Haushalt, bevor das Baby einzieht. Auch hier gilt es, einiges zu beachten, damit der Hund das Kind nicht als Konkurrenten sieht.


Ein Hund sollte niemals „für die Kinder“ angeschafft werden. In keinem Alter kann man Minderjährige in die Pflicht nehmen, sich allein um den Hund zu kümmern. Vor der Pubertät sind sie zu jung, um ein Verständnis für die Sorgfaltspflicht zu haben und können zudem aus verschiedenen Gründen einen Hund nicht zuverlässig erziehen (darauf wird später noch eingegangen). Als Teenies werden zunehmend andere Dinge interessanter, außerdem ist der Stundenplan (Schule und Freizeitaktivität) eines Jugendlichen meist recht ausgefüllt, so dass für die alleinverantwortliche Versorgung des Hundes selbst bei bester Motivation nicht ausreichend Zeit bleibt. Somit muss vor der Anschaffung eines Hundes klar sein, dass die Hauptbelastung bei den Erwachsenen der Familie liegt. Ist dies nicht gewährleistet, sollte vom Kauf eines Hundes abgesehen werden. Im Zweifel kann man überlegen, ob andere Haustiere in Frage kommen, deren Pflege nicht so zeitintensiv ist (natürlich ohne sie zu vernachlässigen).


Die Wahl der Rasse ist wichtig! Man sollte vor dem Kauf gut überlegen, wie die Familie sich zusammensetzt (Anzahl der Mitglieder und Alter der Kinder) und wie sich der Alltag gestaltet (Terminplan, Kinderbesuche, Feste, Freizeitaktivitäten ...). Oftmals wird die Rassenwahl allein mit dem Aussehen oder angeblichen Charaktereigenschaften wie „kinderlieb“ und „familientauglich“ begründet. Dies sind Scheinaussagen, die kein vernünftiger Züchter oder Tierheimmitarbeiter äußern wird! Kinder- und familientauglich ist ein Hund nur nach guter Erziehung und ausreichender Sozialisation und nicht von Geburt an! Dabei gibt es sicherlich rassespezifische Eigenschaften, die unbedingt berücksichtigt werden sollten. Hüte- und Jagdhunde z. B. erfordern aufgrund ihrer Intelligenz und Arbeitsfreude eine aufwändige Erziehung und viel Beschäftigung. Wer dies nicht bieten kann, sollte von einer solchen Rasse absehen, da sie unterfordert störende Verhaltensweisen entwickeln können. Herdenschutzhunde sind in einem Haushalt mit viel Publikumsverkehr völlig fehl am Platz. Dieser Typ Hund bewacht seinen Wohnbereich gegenüber jedem Fremden und wird wenig begeistert sein über tägliche Besucher (diese dann ebenso wenig vom Verhalten des Hundes). Der Hund für die typische Familie mit Kindern sollte einen aufgeschlossenen Charakter, ein mittleres Bewegungs- und Beschäftigungsbedürfnis und ein gutes Nervenkostüm haben. Im Zweifel bringt eine Beratung über verschiedene Rassen wichtige Aufschlüsse vor dem Kauf. Letztendlich kann aber auch der passende Mischling eine gute Wahl sein, immer vorausgesetzt, man kennt die Eltern und weiß, wie die Welpen großgezogen wurden. Sehr kritisch wäre die Wahl eines Hundes aus einem Händlerbestand oder aus dem Ausland. Diese Hunde leiden aufgrund der oft desolaten Aufzuchtbedingungen unter sozialen Defiziten, die das Zusammenleben mit Kindern schlimmstenfalls gefährlich werden lässt.


Der Hund soll Freund, Beschützer und unterstes Rangmitglied gleichzeitig sein

Das Idealbild eines Hundes in einer Familie mit Kindern wird meist wie folgt beschrieben: „Der Hund soll lieb sein, mit den Kindern spielen und sie beschützen. Dabei steht er als letzter in der Rangfolge und soll sich von den Kindern alles gefallen lassen.“ Solche Statements findet man leider auch immer noch in vielen Erziehungsbüchern. Diese Einschätzung ist aber naiv und kann böse Folgen haben. Die richtige Hierarchie zwischen Erwachsenen und Hunden wird durch eine freundliche, konsequente Erziehung und das Schaffen von Grenzen erreicht. Dabei akzeptiert der Hund den erwachsenen Menschen als Anführer der Familie auch, weil dieser die Geschlechtsreife hinter sich und somit in den Augen des Hundes das Recht hat, einen sozialen Status zu erringen und diesen zu behaupten. Bei Kindern ist das anders. Kinder vor der Pubertät gelten in hundlicher Betrachtungsweise als eine Art Welpen oder Junghunde ohne hohe Sozialstatusrechte, die es, wenn nötig, zu beschützen, aber auch zu erziehen gilt. Ein Hund kann nicht verstehen, dass kleine Kinder ihm einen unteren Platz auf der Hierarchieleiter zuordnen, die Natur sieht ein solches Verständnis nicht vor. In der Folge können dem Hund also nur Verhaltensregeln in Bezug auf die Kinder von den Erwachsenen angeordnet werden, die nur funktionieren können, solange die Erwachsenen mit anwesend sind.


Kinder und Hunde dürfen also nie unbeaufsichtigt zusammen gelassen werden! Verhält sich ein Kind in den Augen des Hundes respektlos (nimmt es ihm z. B. einen Kauknochen ab oder krabbelt zu ihm ins Körbchen) oder bedrohlich (das Kind umarmt den Hund oder berührt ihn ohne Ankündigung), so sieht sich der Hund im Recht, das Kind zu maßregeln. Anfangs wird er über Beschwichtigungsgesten (wegschauen, sich entziehen, züngeln ...) versuchen, das Kind zu anderem Verhalten zu animieren. Er will damit sagen: „Du bist mir lästig, also lass mich bitte in Ruhe, sonst tu ich Dir weh!“. Da Kinder dies nicht erkennen können (selbst die meisten Erwachsenen erkennen diese Verhaltensweisen nicht!) und ihr Verhalten nicht ändern, beginnt der Hund leicht zu drohen, indem er sich versteift, das Kind blickfixiert und leicht die Nase runzelt. Auch diese Gesten werden oft nicht erkannt. Also steigert der Hund seine Drohgesten zu leisem Knurren. Wird auch dies nicht beachtet, schnappt er schließlich (anfangs gehemmt) zu. Hier folgt meist von den Eltern die Aussage: „Er hat ohne Grund und ohne Vorwarnung gebissen!“ Falsch! Der Hund hat sich redlich bemüht, sich verständlich zu machen und musste erkennen, dass alle Mitteilungen ignoriert wurden. So blieb ihm nichts anderes übrig, als zuzuschnappen. Ausgehend von korrektem hundlichen Verhalten war der Hund im Recht! Fatal ist nur, dass auch gehemmtes Schnappen an zarter Kinderhaut Verletzungen hervorrufen kann. Hat der Hund einmal gelernt, durch gesteigertes aggressives Verhalten Sicherheit zu erlangen, so wird er es zukünftig immer wieder zeigen und auf Drohgesten vorher verzichten, da sie nicht beachtet bzw. sogar verboten wurden. Ein solcher Teufelskreis kann nur durch die Einhaltung einiger wichtiger Regeln vermieden werden. Dabei muss die ganze Familie mitspielen, auch die Kinder!


Die Sprache des Hundes verstehen

Ganz falsch und obendrein sehr gefährlich wäre es, den Hund für seine Drohgesten (die, die von uns Menschen erkannt werden, also Knurren oder Zähne zeigen) zu strafen. Hunde sind nicht dumm, sie lernen in dieser Situation tatsächlich, dass ihre Besitzer dieses Verhalten missbilligen und unterdrücken es. Sie lernen allerdings nicht, warum sie nicht drohen dürfen. Der Konflikt bleibt also und der Hund unterlässt seine Warnungen. Somit entsteht tatsächlich die Situation, dass der Hund unvorhergesehen schnappt, da die Drohgesten so verkürzt gezeigt werden, dass sie kaum noch zu erkennen sind. Diese Situation ist sehr gefährlich, da man hier nicht mehr regulierend eingreifen kann. Beobachten Sie also eine kritische Situation, in der Sie feststellen, dass Ihr Hund sich vom Kleinkind belästigt fühlt, so reagieren Sie freundlich und ruhig und rufen Sie entweder Ihren Hund entspannt zu sich und belohnen ihn fürs Kommen oder Sie nehmen das Kind freundlich und ruhig aus der Situation (dies z. B. dann, wenn es gerade auf die Idee kam, in den Hundekorb zu krabbeln).


Bevor ein Baby einzieht, sollten Sie im Vorfeld einiges beachten.

Ihr Hund hat zunächst die älteren Rechte, er war vor dem Kind da. Es wäre also fatal, neue Tabuzonen, die im Zusammenhang mit dem Kind stehen, erst am Tag des Einzugs des Babies einzuführen. Es macht sicherlich Sinn, dass der Hund sich nicht im Kinderzimmer aufhalten darf, sondern vor der (auch offenen) Tür wartet. Gerade im Hinblick auf irgendwann mal herumliegendes Spielzeug oder Kinderbesuch ist es gut, wenn es Bereiche gibt, die für den Hund nicht erlaubt sind. Spätestens während der Schwangerschaft sollten diese neuen Regeln eingeführt werden, damit sie akzeptiert sind, bevor das Kind kommt. Gleiches gilt für Sofa- und Bettverbote. Es ist dringend anzuraten, dass Hunde hier keinen Zutritt haben, da es schnell zu Konkurrenzsituationen um die besten Plätze kommen kann (wer sitzt näher bei Mama …?). Klare Regeln im Vorfeld sorgen dafür, dass Probleme erst gar nicht entstehen. Zentrale Aufenthaltsorte der ganzen Familie wie Küche oder Wohnzimmer sollten aber nicht zu den ausgegrenzten Zonen gehören, da der Hund sich sonst ausgeschlossen fühlen könnte.

Wenn das Baby dann ins Haus kommt, beziehen Sie Ihren Hund vom ersten Tag an in jedem Arbeitsschritt um das Kind herum mit ein. Häufig macht man (mit guten Absichten)den Fehler, sich nach der Beschäftigung mit dem Baby betont viel Zeit für den Hund zu nehmen. Er soll ja schließlich nicht zu kurz kommen. Somit entsteht aber die Situation, dass der Hund sich übergangen fühlt, sobald man sich mit dem Kind beschäftigt. Die Zuwendung danach macht diesen Zustand nicht wett. Also beginnt der Hund unter Umständen, mit dem Kind zu konkurrieren. Daher lassen Sie Ihren Hund immer dabei sein, wenn Sie sich mit dem Baby beschäftigen! Egal ob Sie es baden, füttern, wickeln, anziehen, der Hund sollte immer im Zimmer sein dürfen. Lassen Sie ihn an den Babysachen und auch am Kind selbst riechen und geben Sie ihm anfangs immer wieder ein Leckerchen. So lernt er, dass die Anwesenheit des Kindes Zuwendung bedeutet. Haben Sie Ihr Baby versorgt und es schläft, so lassen Sie auch den Hund ein wenig links liegen.


Bringen Sie bitte im Vorfeld keine benutzten Windeln mit nach Hause, an denen der Hund vermeintlich das neue Familienmitglied erkennen soll. Dies ist altertümlicher Quatsch. Auch Hunde ekeln sich vor Kot und mehr als Abscheu und Unverständnis werden Sie nicht erreichen.

Bitte haben Sie keine Angst vor durch den Hund verursachten Infektionen, z. B. mit Endoparasiten (Würmer u. a.). Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Krankheiten ist bei einem gesunden Wohnungshund relativ gering. Es besteht also kein Grund, den Hund am Beriechen oder Belecken des Kindes zu hindern. Solange das Kind das Schulalter noch nicht erreicht hat, sollten Sie Ihren Hund vierteljährlich mit einem Breitbandpräparat entwurmen und monatlich gegen Ektoparasiten (Flöhe, Zecken) schützen.


Die Erziehung des Hundes ist rein die Sache der Eltern und nicht die Aufgabe der Kinder! Anordnungen würde der Hund aus den bereits genannten Gründen nicht akzeptieren und so Auseinandersetzungen provozieren. Die Kinder dürfen dem Hund sicherlich die eine oder andere Übung abverlangen, aber erst, wenn der Hund diese bei den Erwachsenen zuverlässig beherrscht. Die ersten Übungen mit den Kindern müssen unter Aufsicht der Eltern stattfinden.

Richten Sie für den Hund einen Ruheplatz ein, an dem er von keinem Familienmitglied gestört wird. Er lernt auf diese Weise, dass er sich dorthin zurückziehen kann, falls es ihm in der Familie zu turbulent wird. Alle Familienmitglieder müssen akzeptieren, dass der Hund dort nicht gestört wird. Sollte man etwas von ihm wollen, so wird er von dort gerufen. Auch kleine Kinder können für solche Anordnungen bereits das Verständnis aufbringen. Wichtig ist dabei die Konsequenz in der Durchsetzung. Ideal für einen ungestörten Ruheplatz ist ein Zimmerkäfig oder eine ausreichend große Transportbox. Einmal positiv daran gewöhnt, kann man den Hund dort bei manchen Gelegenheiten (Kindergeburtstag...) unter Verschluss halten, ohne dass er völlig ausgesperrt ist. Für Kinder ist es meist leichter zu verstehen, den Hund im Käfig in Ruhe zu lassen (sie kommen nicht gut an ihn heran) als in einem Körbchen. Hat der Hund einmal gelernt, dass er in seinem eigenen „Hundezimmer“ nie gestört wird, zieht er sich in stressigen Situationen freiwillig dorthin zurück. Haben auch die Kinder zuverlässig verstanden, dass der Bereich des Käfigs ausschließlich das Reich des Hundes ist, kann man nach und nach die Tür der Box offen lassen. Bitte keine Angst vor Boxen: der Hund ist darin nicht weggesperrt (immer vorausgesetzt, er hat die Box positiv besetzt kennengelernt), sondern er wird sein Hundehaus als geliebtes Eigenheim sehen (my home is my castle!).


Trennen Sie Hundespielzeug strikt von dem der Kinder.

Regen Sie Ihre Kinder dazu an, Sie zu holen, sollte der Hund Spielsachen der Kinder herumtragen. Nicht die Kinder dürfen dem Hund diese abnehmen, das ist die Aufgabe der Erwachsenen! Der Hund sollte zu diesem Zweck bereits gelernt haben, Dinge nach Aufforderung bereitwillig abzugeben, ohne dass Sie sich auf kleine Kampfspielchen um den Gegenstand einlassen müssen. Lassen Sie kein Hundespielzeug zur freien Verfügung herumliegen. Der Hund könnte auf die Idee kommen, mit den Kindern spielerisch um seine Spielsachen zu konkurrieren. Da die Kinder den Sinn dieses Spiels nicht durchschauen können und sich darauf einlassen, kann es schnell zu Auseinandersetzungen kommen.


Körperliche Spiele und Zerrspiele sind für die Kinder nicht gestattet.

Körperbetonte Spiele wie umarmen und herumwälzen könnten vom Hund als Anmaßung interpretiert werden, so dass er die Kinder unter Umständen verwarnt. Bei Zerrspielen wird der Hund aufgrund größerer Kräfte und Schnelligkeit immer gewinnen. Damit setzt er sich in der Hierarchie deutlich über die Kinder. Erlaubt sind Such- und Apportierspiele. Geben Sie Ihren Kindern Leckerchen, lassen Sie den Hund zuschauen, dass sich die Kinder verstecken und schicken Sie den Hund, sie zu suchen. Hat der Hund gelernt, Spielzeug zu bringen, lassen Sie Ihre Kinder dieses wegwerfen. Bringt der Hund es zurück, erhält er aus den Händen der Kinder ein Leckerchen. Wichtig: achten Sie darauf, dass immer die Menschen das Spiel beenden. Dabei ist es unerheblich, ob Sie dem Hund das Spielzeug abnehmen oder nicht. Er kann es gern behalten, solange Sie sich betont abwenden und damit die Aktion mit dem Hund beenden und sich anderen Dingen zuwenden. Alle weiteren Aufforderungen des Hundes müssen dann ignoriert werden.

Kauknochen sollte der Hund nur in seinem Zimmerkäfig erhalten. Da er dort konsequent von allen Familienmitgliedern ignoriert wird, können zwischen Kindern und Hund keine Auseinandersetzungen um den Kauknochen entstehen.


Bei der Futteraufnahme darf der Hund nicht gestört werden, vor allem nicht von den Kindern. Bitte üben Sie in keinem Fall, dass der Hund sich den Napf wegnehmen lassen soll (wird leider immer noch von „Hundefachleuten“ empfohlen)! Es ist das Recht auch des rangniedrigsten Hundes, begehrte Objekte (also auch Futter) gegen andere zu verteidigen. Der Hund würde also die Kinder bei der Annäherung an den Napf als Konkurrenten sehen und sich zur Wehr setzen. Dies führt zu gefährlichen Situationen!


Besprechen Sie die genannten Punkte mit der gesamten Familie (auch mit Oma und Opa) durch und appellieren Sie an die Einsicht und die Mitarbeit jedes Einzelnen. Wenn alle konsequent mitspielen, steht einem harmonischen Miteinander unter Kindern und Hunden nichts im Wege. Ausführliche Beratungen vor der Ankunft eines Kindes (oder des Hundes), aber auch bei Fragen zu bestehenden Problemen erhalten Sie in unserer Praxis!

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